Der Gutachtenstil
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Gutachtenstil:
Der Gutachtenstil ist der absolute Regelfall in der juristischen Ausbildung und sollte von jedem Jurastudenten beherrscht werden.
In Klausuren ist regelmäßig zu prüfen, ob Rechtsverhältnisse bestehen oder bestimme Rechtsfolgen eintreten. Hierfür ermöglicht der Gutachtenstil eine lückenlos hergeleitete Antwort.
Der Prüfungsaufbau ist in vier Bausteine aufzuteilen:

I. Obersatz: Im Obersatz ist eine These aufzustellen, die im folgenden überprüft wird. Hierfür wird der Konjunktiv verwendet.
- A könnte sich gemäß § 223 StGB strafbar gemacht haben, indem er B mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat.
II. Definition: Die Definition gibt die abstrakten Tatbestandsvoraussetzungen wieder, die geprüft werden müssen.
- Körperliche Misshandlung: jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt.
- Gesundheitsschädigung:Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen, d.h. eines nachteilig von den normalen körperlichen Funktionen abweichenden Zustandes körperlicher oder seelischer Art.
! Definitionen lernt ihr im besten Fall auswendig!
Ich persönlich bevorzuge hierfür natürlich Karteikarten, wie ihr es macht, ist aber natürlich jedem selbst überlassen.
Wenn euch eine Definition mal nicht einfällt, könnt und solltet ihr versuchen sie euch irgendwie herzuleiten. Optimal ist das natürlich nicht, aber es ist unmöglich jede Definition zu lernen.
Wenn euch also eine über den Weg läuft, beschreibt so präzise wie möglich das Bild, dass ihr davon im Kopf habt. Oft kann man auch Informationen aus dem Sachverhalt hierfür verwenden. je weiter ihr im Jurastudium voranschreitet, desto mehr Gespür bekommt ihr für den Telos der Norm, sodass ihr euch hier irgendetwas aus den Fingern saugen könnt.
III. Subsumption: Im Rahmen Der Subsumption ist der Sachverhalt unter die Norm und deren Definition zuzuordnen. Während ihr die Definitionen im besten Fall auswendig könnt, liegt hier regelmäßig der Schwerpunkt der Klausur. Ihr müsst argumentieren, begründen und entscheiden.
- Ein Faustschlag, stellt eine üble, unangemessene Behandlung dar. Auch ist B´s Nase gebrochen, sodass seine körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt ist. Eine körperliche Misshandlung liegt vor.
- Eine gebrochenen Nase ist ein nachteilig von den normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand. Dieser wurde kausal durch den Faustschlag ausgelöst, sodass auch eine Gesundheitsschädigung vorliegt.
Diese Subsumptionen würdet ihr, anders als hier geschehen unmittelbar nach der jeweiligen Definition einfügen, sodass es wie folgt aussehen würde:
IV. Ergebnis: Das Ergebnis eines Gutachtens sollte die Formulierung des Obersatzes widerspiegeln und sich aus der vorangegangenen Subsumtption ableiten.
- A hat sich gemäß § 223 StGB strafbar gemacht, indem er B mit der Faust ins Gesicht geschlagen und B somit körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt hat.
Wichtig: nicht nur die einzelnen Prüfungspunkte, sondern die gesamte Klausur werden in der Regel im Gutachtenstil aufgebaut.
Ihr beginnt also mit der Prüfung einer Körperverletzung und implementiert dann die Prüfung, ob eine körperliche Misshandlung vorliegt.
Damit das auch bei ausführlicheren Sachverhalten übersichtlich bleibt, empfehle ich euch eine Lösungsskizze anzufertigen und euch vorm Ausformulieren ggf. mit Markern zu markieren.
Probleme solltet ihr immer ausführlich behandeln, Unproblematisches kann aber abgekürzt werden. Hierzu wird in der Regel der verkürzte Gutachtenstil genutzt, zu dem ihr hier mehr Informationen findet.